12. Mai 2021 Thema: Blog Von Kai Koeser
Ein Einstiegsgehalt von € 4000 für Pflegekräfte – das hört sich unvorstellbar an. Betrachtet man jedoch Ausbildung, Krafteinsatz, Belastung und Verantwortung bei der Berufsausübung ist eine Anhebung der Gehälter in der Pflege auf das Niveau von Ingenieur:innen durchaus gerechtfertigt. Mit diesem Gedankenexperiment spielt der Tagesschau-Zukunftspodcast:
Es braucht ein gesellschaftliches Umdenken. Wenn wir dem Fachkräftemangel in der Gesundheitspflege entgegentreten und auch mehr Männer für Pflegekräfte interessieren wollen, müssen wir Bezahlung, Belastung und Arbeitsbedingungen für die Pflege verbessern. Insgesamt müssen wir den Pflegeberufen mehr Wertschätzung entgegenbringen. Doch dürfen wir nicht nur die Pflegeberufe in den Fokus nehmen. Vielmehr müssen wir alle Berufe im Gesundheitswesen gleichermaßen aufwerten, damit nicht durch die Attraktivität in einem Bereich ein Fachkräftemangel an anderer Stelle entsteht.
Zum einen müssen wir Wegkommen von der Renditeorientierung im Gesundheitswesen. Geld, das in das Gesundheitssystem fließt, muss auch in diesem bleiben. Die Patienten müssen im Zentrum stehen. Ein leistungsfähiges Gesundheitssystem mit guten Löhnen für die Pflegekräfte braucht eine stabile und solidarische Finanzierung: aus den Mitteln einer Bürgerversicherung, Steuerzuschüssen und zuverlässigen Investitionsmitteln. Dazu müssen die Fallpauschalen reformiert, bzw. im Fall der Kinder- und Jugendmedizin abgeschafft werden. Eine bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen werden zwangsläufig eine Reform der Pflegeversicherung nach sich ziehen müssen. Hierbei muss sichergestellt sein, dass der Eigenanteil nicht steigen darf. Gute Pflege muss für alle bezahlbar sein und der Pflegeeintritt darf nicht aus wirtschaftlichen Gründen verzögert werden.
Unser Gesundheitssystem hat sich in der Krise als außerordentlich belastbar erwiesen. Dies verdanken wir vor allem den vielen Beschäftigten, die bereits seit Jahren über das normale Maß der Belastbarkeit hinaus arbeiten. Doch wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das sollte uns aber nicht daran hindern, einen Blick zu unseren Nachbarn werfen. So spart Dänemark z.B. Kosten durch deutlich weniger Krankenhäuser, die aber sehr gut ausgestattet sind. Wir haben in Zeven schmerzliche Erfahrungen mit der Schließung einer Krankenhauses gemacht. Das Konzept ist also nicht einfach übertragbar. Doch gerade im ländlichen Raum stellen Medizinische-Versorgungs-Zentren eine sinnvolle Alternative dar. Mit guten kommunalen MVZs können wir eine zuverlässige stationäre Pflege in der Fläche sicherstellen und andere Leistungen in großen Kliniken konzentrieren. Dringend notwendig ist ein Abbau der Bürokratie und mehr Digitalisierung.
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist längst da. Die Situation wird sich verschärfen. Auch in der Pflege rollt eine Verrentungswelle auf uns zu. Es steigt die Sorge, dass viele Pflegekräfte nach der Corona-Krise den Beruf verlassen werden. Der Druck aufs Gesundheitssystem wird also zwangsläufig steigen. Doch wenn wir echte Veränderungen wollen, grundsätzliche Veränderungen brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte über den Wert der Pflege. Denn gute Pflege müssen wir gemeinsam finanzieren. Vor allem wird es mehr Druck von Seiten der Pflegekräfte brauchen. Ich wünsche mir, dass sie nicht nur mit den Füßen abstimmen! Ich wünsche mir, dass die Pflege sich endlich stark organisiert und mit starken Gewerkschaften für echte Veränderungen streitet. Den Wandel bekommen wir nur gemeinsam hin.
Mehr zum Thema Pflege:
Das Leben ist nicht immer gerecht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, das erlebe ich aber auch tagtäglich als Pflegevater. Darum mache ich Politik, weil die Welt nur besser wird, wenn wir sie besser machen.