05. Juli 2022 Thema: Gott und die Welt, Kinder & Jugendliche Von Kai Koeser
Die Zeiten sind hart und werden für viele Menschen wahrscheinlich noch härter werden. Insbesondere der nächste Winter wird eine Herausforderung in einem für die meisten von uns unbekannten Ausmaß. Die Lebensmittelpreise steigen weiter. Gas wird knapp. Energiekosten explodieren. Für Menschen mit kleinen Einkommen wird der Lebensunterhalt bald zu teuer. Die Bundesregierung hat mit den bisherigen Entlastungspaketen schnell und richtig reagiert. Die Hilfen werden viele Menschen entlasten. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass der Staat uns nicht vor allen Härten der kommenden Monate bewahren kann.
Steigende Lebenshaltungskosten werden die meisten von uns zu Einsparungen zwingen. Für viele bedeutet das die Minderung eines vergleichsweise hohen Lebensstils. Für sehr viele sind die Einschnitte aber sehr viel drastischer. Für die alleinerziehende Mutter, die ihre zwei Kinder von einem Teilzeitjob ernährt, sind steigende Lebensmittelpreise eine hohe Belastung. Die alte Dame mit der Grundrente weiß, dass sie die steigenden Heizkosten nicht bezahlen kann. Frührentner, Menschen mit Einkommen im unteren Mittel, Studierende und Bezieher von ALG II – sie alle brauchen keine Spartipps von gutverdienenden Politiker:innen. Sie brauchen Hilfe, denn das Einsparpotenzial bei den unteren Einkommensgruppen ist minimal. Wer bisher schon wenig hatte, weiß wie man Energie spart und günstig Lebensmittel einkauft.
Die beschlossenen Entlastungspakete werden zum großen Teil erst in den kommenden Monaten ihre Wirkung entfalten. Doch schon jetzt ist klar, dass weitere Hilfen benötigt werden – und zwar viel zielgerichteter. Das 9-Euro-Ticket zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass die Menschen in Deutschland auf den ÖPNV umsteigen wollen, wenn Preis und Angebot stimmen. Für die Menschen in ländlichen Regionen stellt er aber keine Entlastung dar. Im Alltag sind sie weiter auf das eigene Auto angewiesen. Der Tankrabatt sollte insbesondere Pendler:innen entlasten, tatsächlich sparen aber auch gerade die Fahrer:innen großer Luxuslimousinen und SUV – zumindest den Teil, den die Öl-Konzerne wirklich an die Verbraucher:innen weiterleiten. Hilfen nach dem Gießkannenprinzip sind unsinnig und zu teuer. Die kommenden Hilfspakete müssen darum sehr viel gezielter jene unterstützen, die wenig Geld verdienen oder Sozialleistungen beziehen. Denn Wohnen, Wärme, Strom, Mobilität und Lebensmittel müssen für alle Menschen in unserem Land bezahlbar bleiben.
Familien mit Kindern leiden besonders unter der hohen Inflation. Sparen können sie meist kaum, denn Kinder kosten: Lebensmittel, Kleidung, Schulbedarf, Klassenfahrten, Ausflüge, Taschengeld, Sportverein. Einsparpotenzial ist am ehesten dort, wo Teilhabe beschnitten werden kann: bei Bildung, Freizeit und Kultur. Das können wir uns aber wirklich nicht leisten. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Teilhabe und auf gerechte Bildungs- und Aufstiegschancen. Darum brauchen Familie schnell eine Entlastung. Dies kann ein weiterer Familienbonus als Einmalzahlung sein. Sinnvoller erscheint es jedoch, Familien dauerhaft und langfristig zu entlasten, in dem Steuerfreibeträge erhöht, Regelsätze angepasst und der Großteil der bisherigen Familienleistungen in eine angemessene Kindergrundsicherung umgewandelt werden. Hilfe für Familien müssen das Leben von Kindern und Jugendlichen spürbar verbessern, in der aktuellen Krise ebenso wie in der Zeit danach.
Bund, Land und Kommunen müssen in der Krise klug zusammenwirken. Doch gerade auch die Kommunen brauchen Unterstützung. Sie stellen in vielen Fällen die Daseinsvorsorge für Bürgerinnen und Bürger sicher. Die Kommunen sind verantwortlich für Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser. Die Kommunen sind auch die Staatsebene, mit der die Menschen im ehesten in Berührung kommen. Wenn die Kommunen nicht mehr funktionieren, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger. Marode Schulen mindern Bildungschancen, steigende Eintrittspreise in kommunalen Freibädern schmälern Teilhabechancen und gerade mit den freiwilligen Aufgaben wie Kulturförderung leisten die Kommunen einen erheblichen Anteil für die Lebensqualität und Teilhabe. Doch die steigenden Energiepreise belasten unsere kommunalen Haushalte. Die Kommunen können diese Kosten kaum weitergeben, ohne ihre Einwohner:innen nicht zusätzlich zu belasten und Teilhabechancen zu mindern. Wir dürfen die Kommunen hier nicht im Stich lassen. Wenn die Kommunen eine zu große Last tragen, zahlen die Bürgerinnen und Bürger den Preis dafür – vor allem jene, mit niedrigen Einkommen, die besonders auf ein funktionierendes Gemeinwesen angewiesen sind. Scheitern die Kommunen, scheitern der Staat. Der Preis wäre deutlich höher.
Wir müssen jetzt noch zielgerichteter unterstützen. Hilfen für die oberen Einkommensschichten kann und muss der Staat nicht leisten. In der Krise muss der Staat aber den Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit geben. Darum braucht es jetzt gezielt Hilfen für Menschen mit kleinen Einkommen, Familien mit Kindern und die Kommunen. Wir kommen nur gemeinsam durch die Krise, dafür braucht es gesellschaftlichen Zusammenhalt. Den erhalten wir nicht, wenn die Armen immer ärmer und einige wenige Reiche sogar noch reicher werden. Zusammenhalt erreicht man nicht, wenn die einen nicht wissen, wovon sie am Ende des Monats ihre Lebensmittel bezahlen sollen und die größte Sorge der anderen lange Warteschlangen am Flughafen sind. Wenn die Einkommen und der Lebensstandard der Menschen immer weiter auseinander gehen, spaltet dies die Gesellschaft. Diese Spaltung gilt es zu verhindern. Darum müssen Land, Bund und Kommunen jetzt klug zusammenwirken, um die Menschen von den Preissteigerungen zu entlasten.
Das Leben ist nicht immer gerecht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, das erlebe ich aber auch tagtäglich als Pflegevater. Darum mache ich Politik, weil die Welt nur besser wird, wenn wir sie besser machen.