08. August 2021 Thema: Kinder & Jugendliche Von Kai Koeser
100 werdende Mütter im Landkreis Stade können keine Hebamme finden, die die Geburt ihres Kindes begleitet. Bundesweit kommt es immer wieder zu Beschwerden über mangelhafte Betreuung rund um die Geburt bedingt durch die unzumutbaren Arbeitsbedingungen in der Geburtshilfe. Für Eltern und Kind ist das eine traumatisierende Erfahrung in einer besonders sensiblen Situation.
Angesichts der dramatisch hohen Zahl unversorgter Frauen allein bei uns in der Region und der potentiell schwerwiegenden Folgen ist ein schnelles Handeln dringend geboten. Es braucht mehr Hebammen und dieser Personalmangel ist aufgrund der hoch qualifizierten Ausbildung nicht kurzfristig zu beheben. Wir dürfen hierbei also keine Zeit verlieren. Der Moment von regulierenden Maßnahmen hier und kleinen Verbesserungen dort ist angesichts der Dramatik auch vorbei. Wir müssen eine grundlegende Reform der Geburtshilfe herbeiführen.
Geburtshilfe, die Vorbereitung und Begleitung junger Eltern muss grundsätzlich neu strukturiert werden. Es braucht ein Umdenken. Dazu gibt es bereits konkrete Forderungen, die von verschiedenen Expert:innen und Akteur:innen unterstützt werden. Mütter und Kinder haben einen Anspruch auf angemessene Gesundheitsfürsorge und Geburtsbegleitung. Alle zuständigen Stellen müssen umgehend die entsprechenden Maßnahmen einleiten, um Missstände abzustellen. Dazu wird es eine bedarfs- und leistungsgerechte Vergütung brauchen. Fallpauschalen werden den individuellen Bedürfnissen bei einer Geburt nicht gerecht und gehören abgeschafft. Der zu teure Versicherungsschutz für Hebammen muss reformiert werden. Aus- und Weiterbildung aller Berufsgruppen rund um die Geburtshilfe müssen neu strukturiert werden mit dem Ziel einer berufsübergreifenden Kooperation.
Bedarfsgerechte Geburtsbegleitung ist effektive Prävention. Sie hilft jungen Eltern beim Aufbau einer sicheren Bindung von Eltern und Kind. Das stärkt die Kinder. Auf aktive Prävention müssen wir im Sinne der Kinder unseren Fokus legen: Beratung in der Familienplanung, Elternberatung zur Stärkung von Kompetenzen, altersgerechte Förderung im Rahmen der “Frühen Hilfen”, zuverlässige Früherkennung und frühe Intervention als aktiver Kindesschutz. Im schlimmsten Fall können wir so Kindeswohlgefährdung verhindern und Eltern und Kinder vor traumatisierenden Erfahrungen bewahren.
Alle Kinder haben einen guten Start ins Leben verdient. Dazu gehört auch, dass das Recht ihrer Mütter auf eine kompetente Geburtsbegleitung gewahrt wird. Prävention beginnt nicht mit der Geburt, aber diese ist eine besonders sensible Phase in einem jungen Leben, in der entscheidende Weichen gestellt werden. Die Zeit ist reif für ein grundsätzliches Umdenken rund um die Geburtshilfe. Ich erwarte, dass alle Fraktionen im neuen Bundestag und die zuständigen Ministerien umgehend die erforderlichen Schritt für den Systemwechsel einleiten. Ich werde sie an diese Verantwortung erinnern.
Das Leben ist nicht immer gerecht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, das erlebe ich aber auch tagtäglich als Pflegevater. Darum mache ich Politik, weil die Welt nur besser wird, wenn wir sie besser machen.