17. Mai 2021 Thema: Kinder & Jugendliche Von Kai Koeser
Homosexuelle oder queere Jugendliche haben verschiedenen Studien zufolge ein vier- bis siebenmal höheres Suizidrisiko als heterosexuelle Jugendliche. Das ist beängstigend und macht mich wütend. Denn die jungen Menschen wollen ihr Leben nicht beenden, weil das Schwul- oder Lesbischsein so unerträglich ist. Vielmehr sind sie Untersuchunge zufolge 5-mal häufiger Opfer von Mobbing oder Cybermobbing geworden als andere Jugendliche.
Der 17. Mai ist der internationale Tag gegen Homo- und Transphobie. Das Datum erinnert daran, dass am 17. Mai 1990 die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität endlich von der Liste der psychischen Erkrankungen gestrichen hat. Das war ein wichtiger Schritt gegen Diskriminierung und Stigmatisierung. In Deutschland erinnert das Datum zudem noch an den unsäglichen §175, der bis 1994 schwule Männer kriminalisierte und viele unschuldige Leben zerstört hat. Seit dem ist viel passiert und ein Coming-Out war objektiv wohl noch nie so einfach wie heute. Doch blickt man auf die oben genannten Zahlen, müssen wir leider feststellen: Homo- und Transphobie tötet immer noch!
Wir leben heute in einem offenen und vielfältigen Land. Doch immer noch gibt es gesellschaftliche Vorbehalte gegenüber homo- und transsexuellen Menschen. Das ist insbesondere für Jugendliche belastend, die in der ohnehin schon schwierigen Pubertät nun auch ihre sexuelle Identität finden und einordnen müssen und auch noch öffentlich dazu stehen sollen. Insofern ist die Entdeckung der eigenen Homosexualität natürlich ein Belastungsfaktor. Dieser entsteht aber vor allem aus der oftmals berechtigten Angst vor der Reaktion von Familie und sozialem Umfeld. Je geringer die Akzeptanz, desto größer die Belastung und potentielle Gefährdung. Es macht also einen Unterschied, wie wir als Gesellschaft mit queeren Menschen umgehen.
“Schwule Sau” ist immer noch das beliebteste Schimpfwort auf deutschen Schulhöfen. Somit sind Schulen Teil des Problems, gleichzeitig sind sie Teil der Lösung. Gerade für Jugendliche, in denen die Familie ein Belastungsort ist, kann die Schule zum Schutzraum werden. Dafür braucht es einen offenen und respektvollen Umgang miteinander, entsprechend sensibilisierte Lehrkräfte und ausreichend Schulsozialarbeiter, die Jugendliche begleiten. Soziale Arbeit muss an allen Schulen zum Standard gehören. Schulen brauchen die Ressourcen, um gegen alle Formen des Mobbings effektiv vorzugehen, damit sie ein Ort der Vielfalt und Akzeptanz werden können. Das schützt nicht nur queere Jugendliche, sondern alle potentiellen Opfer von Mobbing und Cybermobbing. Dies mit dem Verweis auf Homo-Lobby oder Frühsexualisierung zu verhindern ist zynisch.
Der Hass auf Homosexuelle und Transpersonen tötet. Zu oft werden Menschen aus diesen Gruppen immer noch Opfer von körperlicher oder psychischer Gewalt. Am Ende braucht es keinen Schlägertrupp an einem dunklen Bahnhof, um einen queeren Menschen zu töten. Auch das Umfeld kann zu leicht zum Täter werden. Wer queere Menschen abwertet, homosexuelle Beziehungen als nicht gleichwertig bezeichnet oder Regenbogenfamilien diskriminiert, muss sich dem Vorwurf einer Mitverantwortung für jeden Suizid eines queeren Jugendlichen stellen. Dieses Spiel mit dem Leben queerer Jugendliche wird von rechtskonservativen Gruppen, weiten Teilen der AfD, aber immer wieder auch von Unionsabgeordneten gespielt. Wir müssen diesen Kreislauf aus Hass, Angst und Schuld durchbrechen – und zwar schnell. Es geht um Leben und Tod.
Das Leben ist nicht immer gerecht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, das erlebe ich aber auch tagtäglich als Pflegevater. Darum mache ich Politik, weil die Welt nur besser wird, wenn wir sie besser machen.