12. Januar 2021 Thema: Kinder & Jugendliche Von Kai Koeser
In den letzten Monaten der Krise wurden viele Entscheidungen getroffen, die das Leben von Kindern und Jugendlichen erheblich beeinflussen. Ihre Interessen sind dabei oftmals zu kurz gekommen. Darum ist es eine gute Nachricht, dass nun endlich die Union ihre Blockadehaltung aufgegeben hat und die Kinderrechte in das Grundgesetz aufgenommen werden sollen.
Die UN-Kinderrechtskonvention regelt die besonderen Rechte von Kindern und ihren Schutz, schreibt Chancen auf Teilhabe fest und fordert die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. In Deutschland gilt sie seit 1992, doch umgesetzt ist diese weltweit geltende Menschenrechtskonvention bei uns immer noch nicht vollständig. Nach jahrelangen Verhandlungen konnte nun ein wichtiger Kompromiss gefunden werden. Die Grundgesetzänderung könnte noch vor der Bundestagswahl im September vorgenommen werden. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.
Mit der Festschreibung der Kinderrechte in unserer Verfassung nehmen wir den Staat endlich in die Pflicht, sich konsequent für kindgerechte Lebensverhältnisse und gleiche Entwicklungschancen einzusetzen. Gesetzgeber, Verwaltung und Justiz werden dann verpflichtet, dem Kindeswohl bei allen Entscheidungen besondere Beachtung zu schenken. Das hat Folgen auf unser Bildungssystem, Sozialsicherungssysteme, Stadt- und Verkehrsplanung und gerichtliche Entscheidungen. Die Konsequenzen aller Entscheidungen auf die kindlichen Interessen müssen dann mehr Beachtung finden.
Das bedeutet auch einen verbesserten Schutz von Kindern vor Vernachlässigung, Missbrauch oder Gewalt. Die Grundgesetzänderung stärkt die Entscheidungsträger in Jugendämter und Familiengerichten bei der Abwägung zugunsten der Kinder. Dies stärkt das Wächteramt des Staates, ohne dabei die Eltern oder Erziehungsberechtigte zu schwächen. Das Grundgesetz kennt bereits den Schutz der Familie und definiert die Erziehung schon jetzt als Recht und Pflicht der Eltern (Art. 6 GG). Tatsächlich ist auch in der Kinderrechtskonvention ein Recht der Kinder auf ihre Eltern (Art. 9) und die Respektierung des Elternrechts festgeschrieben (Art. 5). Darüber hinaus formuliert sie ganz klar einen Anspruch der Eltern auf Unterstützung durch den Staat (Art. 18). Die Kinderrechte stärken also Kinder und ihre Eltern.
Leider sieht der Gesetzentwurf nur eine “angemessene Berücksichtigung” des Kindeswohls bei allen Entscheidungen vor. Damit bleibt er deutlich hinter der Kinderrechtskonvention zurück. Diese fordert einen “Vorrang des Kindeswohls”. Nun wird das Kindeswohl nur im Zusammenhang mit anderen Faktoren betrachtet. Das ist nicht gut für die Kinder. So kann auch weiterhin der Bolzplatz oder die Kita von Anwohnern verhindert werden. Dies höhlt aber auch den Schutz von Kindern vor einer Kindeswohlgefährdung aus. Das Recht der Kinder auf ein gesundes Aufwachsen wird nun in den Zusammenhang mit dem Elternrecht gesetzt und nicht vorrangig behandelt. Das kann tragische Folgen für Kinder haben.
Es ist der Union vorzuwerfen, dass sie hier jahrelang gemauert und die im Koalitionsvertrag vereinbarte Grundgesetzänderung so lange verhindert hat. Die Interessen von Kindern und Familien können sie dabei nicht geleitet haben. Dennoch ist heute in guter Tag, ein guter Tag für Kinder, ein guter Tag für Familien. Er sendet ein wichtiges Signal und ist hoffentlich der Anfang vom Ende einer viel zu langen Debatte. Die UN-Kinderrechtscharta fordert, dass alle “geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen” (Art. 3) zum Wohl der Kinder zu treffen sind. Es bleibt abzuwarten, ob die Abgeordneten des Bundestages dieser Verpflichtung zügig nachkommen. Die Kinder werden es ihnen danken.
Das Leben ist nicht immer gerecht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, das erlebe ich aber auch tagtäglich als Pflegevater. Darum mache ich Politik, weil die Welt nur besser wird, wenn wir sie besser machen.