04. Mai 2021 Thema: Kinder & Jugendliche Von Kai Koeser
Die Kinder noch im Haus und dann wird ein Elternteil zum Pflegefall. Das ist Realität für immer mehr Familien. Davor haben viele von uns Angst. Können die pflegebedürftigen Eltern im eigenen Zuhause versorgt werden? Schaffen wir das? Wir werden immer älter, der Pflegebedarf steigt und wir bekommen immer später Kinder. Die Zahl der Betroffenen in der Sandwich-Generation wird also steigen. Darauf müssen wir reagieren.
Mehr als 70 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen (statistisches Bundesamt). Sie übernehmen auch immer noch den Großteil der Versorgung der Kinder und Pflichten im Haushalt. Kommt der der zeitliche Aufwand für die Pflege eines Angehörigen hinzu, sehen sich die (überwiegend) Frauen einer Doppelbelastung ausgesetzt. Geht man von einem wöchentlichen Zeitaufwand von über 34 Stunden für die Angehörigenpflege aus, ist es nicht überraschend, dass mehr als ein Drittel der Pflegenden die Berufstätigkeit reduziert oder gar ganz aufgibt. Vielfach sind die Pflegenden auch die Ehepartner und selbst schon im Rentenalter, für sie spielt die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf keine Rolle mehr. Doch auch hier nehmen Frauen eine Sonderrolle ein: Sie nehmen häufig die Option der Frühverrentung in Anspruch, um Angehörige zu pflegen.
Wer Angehörige pflegt braucht mehr Unterstützung. Mit der Familienpflegezeit schaffen wir die Möglichkeit, Pflege mit Erwerbsarbeit zu vereinbaren. Pflegende erhalten dann 15 Monate Anspruch auf Lohnersatz. Dieser Anspruch ist auch auf mehrere Personen aufteilbar. So bleibt Pflege und Versorgung nicht an einer einzigen Person hängen. Wenn dann Unternehmen auch noch ihre männlichen Beschäftigten ermutigen, dieses Modell zu nutzen, ist viel gewonnen. Denn für echte Chancengerechtigkeit müssen wir es zukünftig hinbekommen, dass Familien- und Pflegearbeit gleichmäßig aufgeteilt wird. Wir erleben gerade in der Krise, dass diese immer noch vor allem von Frauen geleistet wird. Ich glaube nicht, dass dies daran liegt, dass Männer sich nicht um ihre Kinder oder pflegebedürftigen Eltern kümmern wollen. Wir müssen aber auch ihnen die Chance dazu geben – frei von rein wirtschaftlichen Zwängen.
Doch nicht jeder kann und will im häuslichen Umfeld pflegen. Auch diese Entscheidung ist zu respektieren, insbesondere bei langjähriger Pflege oder Demenzerkrankungen. Hier kommen Angehörige an die Grenzen des Leistbaren. Darum müssen wir auch die stationäre Pflege für Bewohner:innen und Beschäftigte verbessern. Niemand darf ein schlechtes Gewissen haben müssen, weil man die eigene Mutter in einem Pflegeheim unterbringt. Dafür braucht es bessere Arbeitsbedingungen in der Altenpflege, die ihrem gesellschaftlichen Wert angemessen ist. Allgemeinverbindliche Tarifverträge müssen das Ziel sein. Dann ist auch die logische Konsequenz, dass die Refinanzierung der Pflegeleistung aus der Pflegeversicherung an tarifliche Entlohnung der Beschäftigten gebunden ist. Ebenso brauchen wir einen bundeseinheitlichen Personalbemessungsrahmen. Soziale Arbeit muss endlich aufgewertet werden, das ist die einzige Antwort auf den akuten Fachkräftemangel.
Die Pflege von Angehörigen ist eine Belastung. Das wird auch immer so bleiben. Es ist aber eine Frage der Solidarität und des Respekts vor dieser schwierigen Aufgabe, wie wir mit Pflegebedürftigen und Pflegenden umgehen. Pflegebedürftige müssen sich darauf verlassen können, dass sie eine gute Versorgung bekommen. Ein selbstbestimmtes Leben muss möglichst lange möglich sein und wir müssen die Würde der Pflegebedürftigen wahren. Das bedeutet auch, dass wir die Pflegenden respektvoll behandeln, egal ob Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen oder Angehörige. Langjährige Pflege von Familienmitgliedern darf sich nicht negativ auf die Rente auswirken. Es kann nicht sein, dass die Pflege von Angehörigen in Altersarmut endet.
Das Leben ist nicht immer gerecht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, das erlebe ich aber auch tagtäglich als Pflegevater. Darum mache ich Politik, weil die Welt nur besser wird, wenn wir sie besser machen.