10. August 2022 Thema: Pflegefamilien, Regenbogenfamilien Von Kai Koeser
Pflegekinder sind eine Bereicherung für das eigene Leben. Sie bringen Lebendigkeit in ihre Pflegefamilie – auch wenn sie mit Problemen kommen. Sie alle haben einen Rucksack an Erfahrungen, oft keine guten. Das wirkt sich auch auf das Familienleben auf. Trotzdem ist das Abenteuer Pflegefamilie diese ungewisse Reise wert. Pflegefamilien gehen eine große Verantwortung ein und müssen sich auf so manche Herausforderung einstellen. Wir haben diese Reise vor sechs Jahren gestartet. Oft war es anstrengend, aber immer hat sich die Mühe gelohnt. Wir bereuen keinen Tag, diesen Schritt gemacht zu haben und wollen andere ermutigen, ihn ebenfalls zu tun. Aber Pflegefamilie sein, was bedeutet das eigentlich? Hier ein paar Antworten auf einige der häufigsten Fragen – und Missverständnisse.
Pflegekinder sind ganz normale Kinder, die andere Erfahrungen im Leben gemacht haben als andere. Sie werden zu Pflegekindern, wenn ihre Eltern kurz- oder langfristig nicht für sie sorgen können. Häufig haben sie Mangelsituationen erlebt oder traumatische Erlebnisse durchstanden, das reicht von der emotionalen Vernachlässigung bis hin zu schwerer körperlicher Gewalt. Viele der Kinder kommen aus, was wir als zerrüttete Familien bezeichnen würden. Sie haben in ihren Familien zu wenig oder gar keinen Schutz und Geborgenheit erhalten. Manche kennen keine regelmäßigen Mahlzeiten. Mit manchen Kindern hat sich noch nie jemand beschäftigt. Oft war ihr Familienalltag von Unsicherheit, Angst und Gewalt geprägt. Das hinterlässt Spuren, manchmal körperlich, fast immer seelisch.
Meist handelt es sich im Kleinkinder oder Mädchen und Jungen bis zu zwölf Jahren. Seltener werden Familien für Neugeborene gesucht. Aber es kommt auch immer wieder vor, dass Jugendliche in einer Pflegefamilie untergebracht werden sollen. Diese haben aber oft schon so viel erlebt, dass sie einen höheren Betreuungsbedarf haben, der eine Pflegefamilie ohne fachliche Kenntnisse überfordert. Grundsätzlich gilt: es wird immer im Einzelfall entschieden, welche Unterbringungsform für das Kind am besten ist – und welche Familie.
Pflegekinder brauchen ein stabiles Umfeld, in dem sie Vertrautheit erleben – oft zum ersten Mal in ihrem Leben. In der Pflegefamilie sollen sie Vertrauen in sich und ihre neuen Beziehungen fassen. Dafür brauchen sie Verlässlichkeit, Zuwendung und viel Verständnis. Pflegeeltern müssen belastbar sein, damit die Kinder eine Chance haben, sich zu selbstständigen und selbstbewussten Erwachsenen zu entwickeln. Das ist eine große Aufgabe für die Pflegefamilie. Darum durchlaufen Pflegeeltern einen gründlichen Prüfprozess durch das zuständige Jugendamt und werden auf ihre Aufgabe vorbereitet. Der Ablauf unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Auskünfte zum Prüfprozess erteilt das Jugendamt.
Zum Schutz der Kinder müssen Pflegeeltern einige formale Voraussetzungen erfüllen:
Jedes Pflegekind ist anders. Jedes Pflegekind hat andere Bedürfnisse und stellt andere Anforderungen an seine Pflegeeltern. Genau so unterschiedlich sind daher auch Pflegeeltern. Ein paar Dinge helfen Pflegeeltern aber auf jeden Fall durch den Alltag mit ihrem Pflegekind:
So unterschiedlich die Pflegekinder sind, so unterschiedlich sind auch ihre Pflegefamilien. Bei der Unterbringung geht es immer darum, die richtige Familie für ein Kind zu finden, nicht andersherum. Insofern sind alle möglichen Familien möglich, denn jede Familie bringt andere Ressourcen mit. Als Pflegefamilien sind vorstellbar:
Es gibt zwei unterschiedliche Formen der Pflege. In der Bereitschaftspflege werden Kinder kurzfristig untergebracht, oft in Krisensituationen in der eigenen Familie. Manchmal ist klar, dass dies nur eine befristete Lösung ist, z.B. bei Krankheit eines alleinerziehenden leiblichen Elternteils. Bei anderen Kindern ist noch nicht klar, ob eine dauerhaft Lösung notwendig sein wird. Kinder sollten nicht länger als sechs Monate in einer Bereitschaftspflegestelle leben.
Bei der Vollzeit- oder Dauerpflege bekommen die Pflegekinder ein langfristiges neues Zuhause in der Pflegefamilie, weil die Herkunftsfamilie sich für eine längere Zeit oder dauerhaft nicht um das Kind kümmern kann. Besonders in diesen Fällen haben die Pflegefamilien die Aufgabe, ihren neuen Kindern ein stabiles Umfeld zu geben, in dem sie sich ihrem Alter entsprechend entwickeln können. Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedarfen werden meist in Erziehungsstellen untergebracht. Hier können sie begleitet durch pädagogisches Fachpersonal in einem familiären Umfeld aufwachsen.
Nein, das wird es nicht! Die Unterbringung in einer Pflegefamilie ist eine Maßnahme der Hilfe zur Erziehung. Grundsätzlich ist das Ziel immer die Rückkehr in die Herkunftsfamilie. Das ist meist aber nicht realistisch. Dennoch ist zum Zeitpunkt der Unterbringung meist noch nicht endgültig klar, wie lange das Kind in der Pflegefamilie bleiben soll. Die weitaus größere Mehrheit der Pflegekinder kehrt aber nicht in ihre Herkunftsfamilie zurück. Sie finden in der Pflegefamilie ein dauerhaft neues Zuhause, oft bis zur Volljährigkeit.
Pflegeeltern werden intensiv auf ihre Aufgabe vorbereitet. Für die gesamte Dauer der Pflegschaft steht ihnen der Pflegekinderdienst des örtlichen Jugendamtes beratend zur Seite. Jugendämter und Interessensverbände wie Pfad e.V. bieten regelmäßig Fortbildungen an. Überall in Deutschland und digital gibt es Pflegeelterngruppen, die Familien mit Rat und Hilfe unterstützen. Netzwerke sind unglaublich wichtig für Pflegefamilien. Ein Kind zieht man nicht ohne Dorf groß, ein Pflegekind schon mal gar nicht.
Pflegeeltern erhalten außerdem Pflegegeld als Unterhalt für das Pflegekind. Dieses soll den gesamten regelmäßigen Unterhalt des Kindes decken. Pflegeeltern bekommen außerdem eine geringe Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit. Am Ende zahlen die meisten Pflegeeltern sicherlich drauf. Finanziell lukrativ ist es nicht, ein Pflegekind aufzunehmen. Das soll es aber auch ausdrücklich nicht sein.
Finanziell interessant ist es nicht. Es ist oft anstrengend und immer wieder emotional unglaublich fordernd. Man bringt viel Herzblut mit, wird enttäuscht, frustriert von Ämtern oder Unverständnis der Umwelt für Besonderheiten des Pflegekindes. Trotzdem ist es eine Reise, die sich immer wieder lohnt. Als Pflegeeltern bekommt man unglaublich viel zurückgegeben und hat die einzigartige Chance, einem jungen Menschen eine zweite Chance in ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu geben. Das lohnt so ziemlich jede Mühe. Die Kinder haben diese Chance verdient.
Das Leben ist nicht immer gerecht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, das erlebe ich aber auch tagtäglich als Pflegevater. Darum mache ich Politik, weil die Welt nur besser wird, wenn wir sie besser machen.