14. Juni 2021 Thema: Wahlkreis Von Kai Koeser
Hamburg, London, San Francisco – ich bin ganz gut rumgekommen in der Welt. Aber mein Zuhause das ist immer Stade geblieben, und ganz besonders Bützfleth. Bützfleth ist vielleicht nicht das schönste Dorf in Norddeutschland. Für mich ist es aber ein ganz besonderer Flecken Erde.
Eine Dorfkindheit ist für mich das schönste, das ich mir vorstellen kann. Das prägt einen. Da ist die Freiheit, bis zum Dunkelwerden in den Apfelhöfen zu spielen und den ganzen Tag keine Erwachsenen zu sehen. Da ist aber auch die Sicherheit, dass man (fast) jeden kennt und sich die Welt erobern darf, weil die Nachbarn eben so aufpassen, wie die Verkäuferin im Lottoladen. Vom Kindergarten bis zur 4. Klasse begleiten einen die gleichen Kinder, dann fährt man gemeinsam Schulbus. Schützenverein, Kirchengemeinde, Sportverein, Gemeinsamkeit wird groß geschrieben.
Bützfleth ist natürlich geprägt von der Industrie. Die Hauptstraße ist vielbefahren, ich erinnere mich heute noch daran, wie die Gläser bei Oma im Schrank klirrten, wenn ein schwerer LKW durch die Kurve bretterte. Doch ich hatte vom Kinderzimmer einen Blick ins weite Moor – diese Weite fehlt mir heute manchmal. Abends holten wir frische Milch beim Bauern. Einmal stand plötzlich eine Kuh bei uns im Garten. Rodeln am Deich. Die feste Dorfstruktur hat mir immer Halt gegeben. Doch durch die Industrie gab es in Bützfleth schon immer einen hohen Bevölkerungsanteil mit Migrationsgeschichte. Und auch damals wurden im Schulbus mal rassistische Witze gerissen – auch das hinterlässt Spuren.
Aufgewachsen bin ich in der Firma meiner Eltern. Beide haben immer viel gearbeitet und waren doch jederzeit greifbar für mich. Darum fühle ich mich wohl auch im Corona-Home-Office so wohl. Selbstständig sein mit allen Sorgen, Nöten und Vorteilen, das kenne ich. Die Beschäftigten meiner Eltern gehörten für mich fast schon zur Familie, so manche Beziehung besteht bis heute. Von meinen Eltern habe ich auch gelernt dass man sich einbringt und den Nachbarn hilft, wenn nötig.
Doch unsere Dörfer ändern sich. Auch Bützfleth. Es gibt keinen Bäcker mehr. Unser Schlachter hat zugemacht. Der Milchladen an der Grundschule ist nicht mehr. Gasthöfe verschwinden einer nach dem anderen. So manches Haus steht nicht mehr. Das Vereinsleben ändert sich, weil immer mehr Leute weit zur Arbeit pendeln. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere Dörfer lebendige und lebenswerte Orte für alle Generationen bleiben. Wir müssen unbedingt die Versorgung mit Hausärzten und Lebensmitteln sicherstellen, unter Umständen auch mit neuen Ideen. Auf jeden Fall dürfen unsere Dörfer aber nicht den Anschluss verlieren, weder über die Straßen, noch digital. Ich will, dass in unseren Dörfern sozial durchmischtes und generationenübergreifendes Leben weiter möglich ist – für die nächste Generation Dorfkinder! Denn mir haben diese festen Wurzeln ganz viel Kraft gegeben und dafür bin ich unendlich dankbar.
Das Leben ist nicht immer gerecht. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, das erlebe ich aber auch tagtäglich als Pflegevater. Darum mache ich Politik, weil die Welt nur besser wird, wenn wir sie besser machen.